Am 23. Mai 1938 sprach der Fabrikschlosser, Johannes Ruscher, bei Dr. Graf Vitzthum von Eckstedt von der Landesforstverwaltung vor. Er bat um die Erlaubnis:
"die in Jagen 7 des Staatsforstreviers Lohmen gelegene Vehmhöhle und die in der Nähe der Steinernen Tisches gelegene Hermannshöhle unter verlassen der öffentlichen Wege zu Forschungszwecken betreten zu dürfen".
Die Hermannhöhle wurde 1884 von Hermann Schlenkrich aus Rathen entdeckt. Eine ausführliche Beschreibung der Höhle findet sich im Höhlenführer [2].
Dieser Antrag wurde durch ein Schreiben des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS unterstützt. Es stellte am 17.5.1938 an die Höhere Naturschutzbehörde den Antrag, Johannes Ruscher die Erlaubnis zur Erforschung der Hermanns- und Vehmhöhle im Basteigebiet zu erteilen.
"Das Rasse- und Siedlungshauptamt SS bittet um Ausstellung eines Ausweises SS beantragt die Ausstellung eines Ausweises ... Herr Johannes Rauscher , Dresden 21, Wibenstockerstr. 29 der seit langem mit dem Rasse- und Siedlungs Hauptamt SS auf den Gebiete der Höhlenkunde und Höhlenforschung sehr rege zusammenarbeitet ...
Da Herr Ruscher, der zugleich Vorsitzender des Vereins für Höhlenkunde in Sachsen ist, sich besonders mit der Erforschung der zahlreichen Höhlen des Elbsandsteingebirges beschäftigt, würde er in seiner Arbeit durch die oben angezogene Verordnung stark betroffenen werden. Das Rasse- und Siedlungs- Hauptamt SS bittet daher, Herrn Ruscher den erbetenen Ausweis zu erstellen".
Diese Erlaubnis war notwendig geworden, nachdem das Basteigebiet am 10. Januar 1838 zum "Naturschutzgebiet Bastei" erklärt worden war. Im Schutzgebiet war es unter anderem verboten, die Wege zu verlassen.
Die Naturschutzbehörde stimmte dem Antrag zu und erteilte im Einvernehmen mit dem Forstamt Lohmen eine Ausnahmegenehmigung zur Vermessung und Aufnahme der Höhlen.
Johannes Gustav Ruscher wurde am 28. August 1893 in Dresden geboren. Im Ersten Weltkrieg wurde er zur Marine eingezogen und beschäftigte sich in dieser Zeit intensiv mit Felskunde [1].
Am 28. November 1920 gründete Johannes Ruscher in Dresden den "Verein für Höhlenkunde in Sachsen". Der Verein ist eine der ältesten speläologischen Organisationen in Mitteleuropa. Johannes Ruscher war ca. 19 Jahre lang Vorsitzender des Vereins und auch an der Gründung des Verbandes Deutscher Höhlenforscher beteiligt.
Ziel des Vereins war unter anderem die Erfassung aller in Sachsen vorhandenen Höhlen. Unter der Leitung von Johannes Ruscher wurden alle Höhlen vermessen und kartiert.
In ausgewählten Höhlen wurden auch Grabungen durchgeführt. So zum Beispiel im Frühjahr 1926 in der Hocksteinhöhle (Wolfshöhle) im Staatsforstrevier Hohnstein. Bei Grabungen durch Mitglieder des "Vereins für Höhlenkunde in Sachsen" wurde ein Flachbeilfragment aus Hornblendeschiefer gefunden. Es stammt aus der jüngeren Steinzeit (4000 - 2200 v. Chr.).
Bleibt die Frage, warum die faschistischen Machthaber Johannes Ruscher bei seiner Arbeit zu unterstützten?
Die neuen Machthaber hatten ein gewisses Interesse an den Höhlenforschern. Sie interessierten sich für Höhen und unterirdische Gangsysteme, die für den Luftschutz interessant sein könnten.
Ansonsten brachte die Machtergreifung der Faschisten jedoch Einschränkungen für die sächsischen Höhlenforscher mit sich. Die Arbeit des Vereins kam aufgrund der schwierigen politischen Lage fast völlig zum Erliegen. Johannes Ruscher überlebte wie viele seiner Mitstreiter den Zweiten Weltkrieg nicht und gilt als vermisst.
Der Nachfolger des "Verein für Höhlenkunde in Sachsen" ist die 1962 gegründete "Höhlenforschergruppe Dresden". Die Gruppe hat bis Mai 2010 466 Höhlen in Sachsen erfasst davon auch 61 im Rathener Gebiet.
Seit 1977 gibt es, zur Erinnerung an den Höhlenforscher, die "Ruscher-Wanderung", eine jährlich stattfindende höhlenkundliche Führung. Ins Leben gerufen wurde die Wanderung von der Höhlenfoschergruppe Dresden.
Zur Erinnerung an Johannes Ruscher wurde 1980 eine Höhle im Bielatal nach ihm benannt. Die "Johannes-Ruscher-Höhle" ist ca. 40 m tief und ca. 80 m lang.
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- [1] Sächsische Biografie - Johannes Ruscher
- [3] Emil Walther - Vorgeschichte der Sächsischen Schweiz - 2. Auflage 1931
- HÖHLENFORSCHERGRUPPE DRESDEN - GESCHICHTE / WISSENSWERTES
- Mineralienatlas - Fossilienatlas
Letzte Änderung am 23.02.2025 |