Ernährung der hügelbauenden Waldameisen


Einleitung:

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, vor welch großer Herausforderung ein Ameisenvolk steht, um all seine Bewohner ausreichend mit Nahrung zu versorgen. Schließlich können in einem großen Ameisennest bis zu eine Million Ameisen auf wenigen Quadratmetern leben.

Um ihren Nahrungsbedarf zu decken, haben sich die Waldameisen mehrere Nahrungsquellen erschlossen.

Die beiden tragenden Säulen ihrer Nahrung sind der energiespendende Honigtau und die in der Nestumgebung erbeuteten Insekten. Letztere liefern vor allem wichtige Eiweiße für die Aufzucht des Nachwuchses.

In der Literatur findet man etwas voneinander abweichende Angaben über den Anteil der von den Ameisen genutzten Nahrungsquellen.

Ein Beispiel sind die Angaben von Wellenstein (1990).

Nahrung Anteil
Honigtau 62 %
Insekten 33 %
Baumsäfte 4 %
Tierleichen, Pilze, Pflanzensamen 1 %

Vereinfacht kann man sagen, dass Honigtau mit ca. 60 % die wichtigste Nahrungsquelle der Waldameisen darstellt. Erbeutete Insekten folgen mit einem Anteil von etwa 30 %. Der Rest setzt sich aus Pflanzensamen, Pflanzensäften, Pilzen und Tierleichen zusammen. Diese stehen meist auch nicht im gesamten Aktivitätszeitraum der Ameisen zur Verfügung, sondern werden nur saisonal angeboten.


Honigtau:

Wer an einem schönen Sommertag schon einmal das emsige Treiben der Ameisen auf und um das Nest herum beobachtet hat, dem sind sicherlich die vom Nest wegführenden "Ameisenstraßen" aufgefallen. Die auf dem Waldboden gut sichtbaren Pfade, die von Pflanzenteilen und kleinen Holzstückchen befreit sind, führen zu nahegelegenen Bäumen, die auch als "Belaufbäume" bezeichnet werden. Vom Stammfuß aus führt der Weg weiter nach oben in die Baumkronen zu den Honigtau abgegebenen "Haustieren" der Ameisen.

Doch was ist eigentlich Honigtau? Honigtau ist eine zuckerhaltige, klebrige Flüssigkeit, die von Blatt-, Schild- und Wurzelläusen produziert wird. Die Läuse ernähren sich vom Saft der Bäume und Pflanzen, den sie aus den Siebröhren des Phloems aufnehmen.

Ameise bewacht eine Blattlaus
Ameise bewacht eine Blattlaus

Das Phloem ist ein Gefäßsystem, das die durch die Photosynthese in den Blättern erzeugten Nährstoffe in der Pflanze verteilt. Neben dem Hauptbestandteil Zucker enthält der Saft auch Aminosäuren, Proteine und Mineralien. Ohne diese Stoffe können Pflanzen nicht wachsen und Früchte ausbilden.

Um an den begehrten Saft zu gelangen, nutzen die Blattläuse ihren am Kopf befindlichen Stechapparat, um gezielt die Leitungsbahnen von Pflanzen und Bäumen anzuzapfen. Deshalb sind Blattläuse oft an jungen Trieben und Blättern zu finden, denn nur hier ist die Rinde relativ dünn und der Pflanzensaft für die Blattläuse leicht erreichbar.

Dabei sind die Blattläuse weniger an den Kohlenhydraten als vielmehr an den darin enthaltenen Stickstoff- und Eiweißverbindungen interessiert. Diese Stoffe werden von den Blattläusen herausgefiltert und die überschüssigen zuckerhaltigen Flüssigkeiten in Form von Honigtau wieder ausgeschieden.

Weltweit sind etwa 5.000 Arten von Blattläusen bekannt, von denen wiederum ca. 800 Arten in Mitteleuropa vorkommen. Davon besuchen die Waldameisen ca. 80 Rinden-, Schild- und Wurzellausarten. Viele Arten sind auf bestimmte Laub- und Nadelbäume wie Fichte, Kiefer, Birke, Eiche und Tanne angepasst. Dabei sind häufig mehrere Lausarten auf einer Baumart anzutreffen, die sich wiederum auf gewisse Baumbereiche spezialisiert haben. Die Blattläuse leben dabei in mehr oder weniger großen Kolonien zusammen.


Ameisen und Honigtau:

Wenn die Ameisen die Blattlauskolonie auf dem Baum oder der Pflanze erreicht haben, müssen sie im einfachsten Fall nur das ausgeschiedene Tröpfchen aufnehmen. Weit häufiger findet jedoch eine Art "Melken" statt, bei dem die Ameise mit ihren Fühlern sanft auf den Hinterleib der Laus trommelt. Daraufhin hebt die Blattlaus ihren Hinterleib und gibt einen Tropfen Honigtau ab. Die Ameisen speichern den Honigtau in ihrem Kropf und transportieren ihn als Nahrung in das Nest.

Im Gegenzug erhalten die Blattläuse durch die Anwesenheit der Ameisen einen gewissen Schutz vor Fressfeinden. Diese Beziehung zwischen Blattläusen und Ameisen ist eine Symbiose, die als Trophobiose bezeichnet wird und nach dem Prinzip "Nahrung gegen Schutz" funktioniert.


Anpassung der Blattläuse an die Trophobiose mit Ameisen:

Blattlausarten, die in dieser Trophobiose leben, haben ihre eigenen Verteidigungsmechanismen reduziert (zum Beispiel einen dünneren Wachsüberzug oder kleinere Hörner), da die Ameisen ihren Schutz übernehmen.

Ameise bewacht ihre Blattläuse
Ameise bewacht ihre Blattläuse

Um den Honigtau für die Ameisen bereitzuhalten, stoßen trophobiotische Blattläuse ihr Sekret nicht vom Körper weg (wie es andere Blattläuse aus Hygienegründen tun), sondern halten es am After oder können es sogar wieder in den Körper zurückziehen. So stellen sie sicher, dass die Ameisen es erhalten.

Neben dem Schutz profitieren die Blattläuse auch davon, dass die Ameisen die klebrigen Ausscheidungen (Honigtau) von den Blättern entsorgen. Würde dies nicht geschehen, käme es zu übermäßigen Ablagerungen, in denen sich schädliche Pilze und Bakterien ansiedeln würden.

Entdecken die Ameisen auf Ästen und Zweigen eine sich entwickelte Blattlauskolonie wird diese von einer oder mehreren Ameisen regelrecht bewacht. Dazu laufen sie auf ständig hin und her und nehmen gelegentlich einen Tropfen Honigtau von einer Blattlaus auf.

Der Aktivitätszeitraum der Blattläuse beginnt etwa Mitte April und dauert bis etwa Mitte September. Die Maxima der verschiedenen Blattlausarten variieren dabei sowohl zeitlich als auch in der Dauer. So kann es vorkommen, dass sie in einer Saison von einer Baumart auf eine andere wechseln.


Wir und die Blattläuse:

Wer sein Fahrzeug in der warmen Jahreszeit unter stark von Blattläusen besiedelten Bäumen parkt, wird nach seiner Rückkehr eventuell einen klebrigen Film auf der Frontscheibe bemerken. Das ist ein Hinweis darauf, dass sich auf dem Baum zahlreiche Blattlauskolonien befinden, die Honigtau absondern.

Außerdem ist nicht jedem bewusst, dass der meist dunkle Waldhonig seinen Ursprung im Honigtau der Läuse hat. In Gebieten mit vielen Ameisen ist die Dichte der Blattlauskolonien entsprechend hoch und die anfallenden Honigtau-Überschüsse können den Ertrag von Bienenvölkern in diesen Waldorten verdoppeln.


Über die Symbiose hinaus (Sklaverei-Aspekte):

Aber nicht immer ist diese Beziehung so friedlich:

Ameisen behandeln die Blattläuse wie ihr Vieh. Sie tragen die Blattläuse von einer Pflanze zur anderen, um sicherzustellen, dass sie immer Zugang zu hochwertigem, frischem Futter haben. Interessanterweise können die Ameisen zwischen verschiedenen Pflanzenarten unterscheiden und die Blattläuse zu denjenigen bringen, an die sie am besten angepasst sind.

Es gibt hochspezialisierte Beziehungen, bei denen sowohl die Ameisenart als auch die Blattlausart extrem voneinander abhängig sind und selbstständig kaum überleben könnten.

Bei einigen Ameisenarten, wie der in Deutschland heimischen schwarzen Wegameise (Lasius niger), wurden auch die Schattenseiten dieser Beziehung beobachtet. So geben Ameisen beispielsweise Hormone oder chemische Signale ab, die die Bewegungen der Blattläuse extrem verlangsamen. Auf diese Weise können die Blattläuse die Kolonie nicht verlassen, da sie eine wichtige Nahrungsquelle darstellen.

Ameisen können den Blattläusen auch die Flügel abbeißen, sodass diese nicht mehr wegfliegen können.

Entwickeln sich zu viele Blattläuse und entsteht ein Überschuss an Honigtau, den die Ameisen nicht benötigen, töten und fressen sie die überschüssigen Blattläuse, um die Population zu kontrollieren, bis die Menge des Sekrets ihrem Bedarf entspricht.


Insekten:

Abseits der vielbegangenen Ameisenstraßen zu den Blattlauskolonien sind Ameisen ständig auf der Suche nach Insekten und anderen Beutetieren unterwegs. Diese finden sie auf dem Waldboden, an Sträuchern und auf Bäumen.

Insekten tragen normalerweise zu etwa 30 % zur Ernährung der hügelbauenden Waldameisen bei. In Zeiten von Insektenkalamitäten kann dieser Anteil auf bis zu 90 % ansteigen.

In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben zur Anzahl der jährlich erbeuteten Insekten. Je nach Volksstärke des Nestes dürfte diese im Aktivitätszeitraum von Anfang April bis Ende Oktober zwischen einer und zehn Millionen Insekten liegen.


Beuteerkennung:

Die stärksten Jagdauslöser sind die mit den Augen festgestellten Bewegungen und die Berührung der Beute mit den Fühlern. Die Fühler fungieren dabei sowohl als Tast- als auch als Riechorgane. Unbewegliche, ruhende oder sich langsam bewegende Insekten werden oft als weniger wertvolle Beute erkannt oder gar nicht beachtet. Schnelle Bewegungen der Beute können die Aggressivität der Jäger noch steigern und weitere Artgenossen anlocken.

Bei manchen Käfern lassen die Ameisen schnell wieder los, da sie auf der glatten Oberfläche der Käfer keinen festen Halt mit den Kiefern finden.


Der Angriff und die Giftwirkung:

Ameise erbeutet ein Insekt
Ameise erbeutet ein Insekt

Um die Insekten zu überwältigen, verfügen Ameisen über zwei mächtige Waffen: Zum einen ihre kräftigen, gezähnten Oberkiefer und zum anderen das Giftsekret aus der Giftdrüse.

Zu Beginn des Angriffs verbeißt sich die Ameise fest in ihr Opfer. Gleichzeitig krümmt sie ihren Hinterleib (Gaster) nach vorne und spritzt Gift aus der Giftdrüse in die entstandene Wunde. Bei großen, wehrhaften Beutetieren arbeiten oft mehrere Ameisen zusammen, um die Beute festzuhalten und die Flucht zu verhindern.

Der Hauptbestandteil des Gifts ist 50-prozentige Ameisensäure. Es wirkt auf Insekten sehr schnell und stark, sodass sie nach kurzer Zeit bewegungsunfähig werden oder sterben. Die Ameisensäure zerstört Gewebe und dringt durch die Bisswunde, aber auch durch die Atemröhren (Tracheen), in den Körper ein.

Wenn die Ameise zubeißt, versucht das Opfer sich zu wehren, die Ameise abzuschütteln oder anzugreifen. Gelingt es der Beute, die Ameise abzuschütteln, kann sie entkommen, stirbt aber oft später an der Giftwirkung.




Transport der Beute ins Nest:

Ameise erbeutet ein Insekt
Ameise erbeutet ein Insekt

Sobald die Beute überwältigt wurde, beginnt der Transport ins Nest. Kleine Beute kann von einer einzelnen Ameisenarbeiterin getragen werden. Dabei kann das Gewicht der Beute ein Vielfaches des Gewichts der Ameise betragen. Bei schwerer Beute müssen mehrere Ameisen zusammenarbeiten. Oft teilen sie die Beute auch in kleinere Teile, die sie dann nacheinander ins Nest transportieren.

Eine weitere Möglichkeit, das erbeutete Insekt ins Nest zu transportieren, ist die sogenannte extraintestinale Verdauung. Dabei findet eine Verdauung außerhalb des Verdauungstraktes als Vorverdauung statt. Die Ameisen spritzen ein Sekret mit Verdauungsenzymen auf das Fleisch der Beute, welches dieses auflöst. Anschließend lecken die Ameisen die gelöste Nahrung auf und transportieren sie in ihrem Speicherorgan, dem Kropf, ins Nest. Spinnen und andere Tiere gehen bei der Verdauung ihrer Beute auf die gleiche oder ähnliche Art und Weise vor.




Pflanzensamen:

Im Gegensatz zu den Ernteameisen, die den eigentlichen Samen fressen (Granivoren), wollen die Waldameisen nur das nährstoffreiche Anhängsel, das sogenannte Elaiosom. Auch wenn die Elaiosome nur einen geringen Beitrag zur Ernährung der Waldameisen leisten, ist ihr Beitrag zur Verbreitung von Pflanzensamen umso größer zu bewerten.

Mehr dazu im Abschnitt "Bedeutung der hügelbauenden Waldameisen".


Nutzung von Baumsäften:

Die zuckerhaltigen Baumsäfte sind vor allem im Frühjahr von Bedeutung. Zu diesem Zeitpunkt stehen die anderen wichtigen Nahrungsquellen, wie Honigtau und Insekten, noch nicht in ausreichender Häufigkeit zur Verfügung.


Beseitigung von Tierkadavern:

Ameisen leisten einen wichtigen Beitrag zur Beseitigung und Verwertung kleinerer Kadaver (z. B. toter Insekten), die sie in ihr Nest transportieren. Dadurch tragen sie zur schnellen Beseitigung der Kadaver bei.

Bei größeren Kadavern können Ameisen anwesend sein und in der frühen Zersetzungsphase des Tieres mit anderen Insekten, z. B. bestimmten Käfern oder Fliegenlarven, um diese Ressource konkurrieren bzw. Jagd auf die anwesenden Insekten machen.

Interessanterweise beseitigen Ameisen auch die toten Mitglieder ihrer eigenen Art. Sie tragen die toten Ameisen aus dem Nest auf spezielle "Friedhöfe", um die Ausbreitung von Krankheitserregern und Pilzen im Nest und in der Kolonie zu verhindern.


Zusammenfassung:

Hügelbauende Waldameisen ernähren sich hauptsächlich von Honigtau, den sie von Blattläusen gewinnen, sowie von erbeuteten Insekten. Der Honigtau liefert ihnen Zucker und Energie, während die Insekten wichtige Eiweiße für die Brut liefern. Die Ameisen "melken" die Blattläuse und schützen sie im Gegenzug vor Feinden - eine Symbiose, von der beide Arten profitieren. Daneben sammeln sie Pflanzensäfte, fressen gelegentlich Samenanhängsel und verwerten Tierkadaver. So tragen sie auch zur Reinigung des Waldes und zur Verbreitung von Pflanzensamen bei.

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Literaturquellen:

- Die Ameisen: Biologie und Verhalten - Walter Kirschner

- Die Waldameise: Biologie-Ökologie und forstliche Nutzung - Karl Gößwald

- Waldbewohnende Ameisen - Dr. Gustav Wellenstein (1990)

- Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas - Bernhard Seifert


Letzte Änderung am 03.11.2025